Südtirols Weinmacher sind – so wie ihre Weine – Individualisten mit historischer Verwurzelung. Das führt zu Weinen mit Charakter, die selten uniform bzw. vorhersehbar sind. Heterogen ist denn auch die Weinerzeugerlandschaft: Genossen,
Weinhändler und selbstvermarktende Weinbauern – wobei letztere das langjährige etwa steife Gefüge gehörig zum Vorteil für die Weinwirtschaft aufgemischt haben. Dieser ungleiche Mix erschwert eine gemeinsame Vermarktungsstrategie; zu unterschiedlich sind Interessen und Vorstellungen. Und zum Dritten: Kaum anderswo auf der Welt gibt es auf so kleinem Raum eine derartige
Rebsorten-Vielfalt. Ist das ein Vorteil oder ein Nachteil? Wir kommen später darauf zurück.
Rot- oder Weißweine?
Ist die Vielfalt für die Vermarktung ein Horror, ist sie für das Gesamtensemble Südtirol ein Glück. Seit einigen Jahren sind die Weinverantwortlichen zur Einsicht gekommen, dass sich Südtirol als Weißweinland wohl eher eignet, über die Landesgrenzen hinaus Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Heute stehen 55 % der gesamten Weinberge Südtirols im Weißweinertrag. Allen voran stehen frisch-fruchtige und mineralischrassige Weißburgunder und Sauvignon. Besonders in Italien beliebt ist der aromatische
Gewürztraminer. Mengenmäßig eine Größe spielt der Pinot Grigio, in Südtirol Ruländer genannt. Eine besondere Stellung nehmen das Vinschgau und das Eisacktal ein, die „nordische“ Sorten wie Veltliner, Müller Thurgau, Sylvaner oder Riesling hervorbringen.
Die Rotweine Südtirols hingegen sind zwar allesamt technisch einwandfrei und sauber ausgebaut, doch mit den Spitzengewächsen aus Italien oder Frankreich können sie selten mithalten. Warum auch! Niemand will jeden Tag einen Brunello oder einer großen Burgunder trinken, oftmals bevorzugen Weinliebhaber geradlinige, trinkfreudige Weine. Und da darf der Vernatsch auch ruhig wieder aus dem Keller geholt werden, zumal der heutige autochthone, leichte Rote nichts zu tun hat mit dem Billigwein aus den 60er und 70er Jahren, der lange Zeit für das schlechte Image des Südtiroler Weines verantwortlich war. Damals kaufte man in Süditalien Billigwein, verschnitt diesen mit Vernatsch und verscherbelte das Ergebnis millionenfach nach Deutschland. Heute ist der Vernatsch zurückgekehrt – dank qualitätsbewusster Bauern. Beachtete Sorte ist in Südtirol der Blauburgunder – eine filigrane, komplexe Weinsorte, die im Anbau und in der Verarbeitung viel Fingerspitzengefühl benötigt. Im Rückgang befindet sich der Südtiroler Cabernet Sauvignon. Kein Imageproblem, dafür aber paradoxerweise ein Mengenproblem, hat der Lagrein, der sein bäuerliches Images längst abgestreift hat und jetzt Gefahr läuft, seine wahre Seele zu verlieren. Warum? Weil der Lagrein oft dort angepflanzt wird, wo ein Lagrein einfach nicht wachsen sollte.
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Alles DOC, oder was …
Und da wären wir schon beim nächsten heiklen Thema. Braucht es eine geographische Aufteilung der Lagen? Soll vorgegeben werden, wo ein Blauburgunder oder ein Weißburgunder zu wachsen haben und wo nicht? Die einen sehen darin die natürliche Fortschreibung der aktuellen DOC-Regelung, die anderen eine zu starke Eingrenzung ihrer Flexibilität. Fakt ist, dass Südtirol derzeit nahezu flächendeckend auf die DOC-Regelung setzt: Seit 1963 regelt diese Herkunft, Sorte, maximalen Hektarertrag, Mostausbeute, Mindestalkoholgehalt, Lagerzeit, Säuregehalt und Produktionsmethode. Vielen Weinbauern ist das zu wenig. Sie wollen trengere Auflagen. Ist dies ein möglicher Weg für die Zukunft?
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